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Salutogenese

Salutogenese

Modell zur Entstehung und Entwicklung von Gesundheit

 

Am letzten Januarwochenende hat das zweite Jahr meiner Yogalehrerausbildung 800h BDY/EYU begonnen. Wir hatten zwei sehr interessante Referentinnen: eine Ärztin mit dem Schwerpunkt Therapie und eine junge Psychologin. Ich war zuerst etwas skeptisch, weil man ja immer so seine Vorurteile hat (warum auch immer). Jetzt kann ich sagen, dass es für mich tatsächlich das beste Seminar bisher war. Ich hatte mir etwas mehr „Hokuspokus“ vorgestellt, doch dann kam der systemische Ansatz um die Ecke. Hier wird der Mensch oder eine Familie / Team als System gesehen. Die einzelnen Personen beeinflussen sich gegenseitig durch ihre Aktionen und Reaktionen. Das Ziel ist die Lösung eines Problems, hierfür wird der Fokus auf die Dinge gelegt, die funktionieren - also nicht auf die Dinge, die nicht funktionieren. Es wird davon ausgegangen, dass die Lösung bereits in uns steckt und nur gefunden werden muss. Dabei wird niemals gefragt, WARUM etwas ist, wie es ist. Und mal ganz ehrlich, was würde uns diese Antwort bringen? Wenn ihr euch also das nächste Mal dabei erwischt, wie ihr den Sinn von etwas mit „Warum“ hinterfragt, dann antwortet euch selbst mit „Warum nicht?“.

 

 

Salutogenese >< Pathogenese

Hauptthema des Seminars war die „Salutogenese“ (Salus, lat. = Wohlbefinden, Gedeihen, Glück, Heil; Genese, gr. = Entstehung, Entwicklung). Ein Modell nach dem Medizinsoziologen Aaron Antonowsky, dass sich mit der Entstehung und Entwicklung der Gesundheit auseinandersetzt. Ihr habt Euch sicherlich schon einmal gefragt, wieso ihr krank seid, oder? Habt ihr Euch aber schon mal gefragt, wieso ihr gesund seid? Wahrscheinlich eher nicht, denn Gesundheit wird von uns meist als selbstverständlich und "Normalzustand" angesehen. Wir beschäftigen uns eher mit dem Gegenteil und zwar mit der Entstehung und Entwicklung von Krankheit und den daran beteiligten Faktoren. Diese Sichtweise wird „Pathogenese“ bezeichnet und ist vor allem in der Medizin ein großes Thema.

Aber was genau ist eigentlich Gesundheit? Laut der Definition der Weltgesundheitsorganisation müssten wir ja alle krank sein..

 

Kohärenzgefühl – „Wie entsteht Gesundheit?“

Antonowsky stellt das Kohärenzgefühl ins Zentrum seiner Frage auf die Antwort „Wie entsteht Gesundheit“. Dieses Kohärenzgefühl, auch Sense of Coherence (SOC) genannt, ist laut ihm „eine globale Orientierung, die das Ausmaß ausdrückt, in dem jemand ein durchdringendes, überdauerndes und dennoch dynamisches Gefühl des Vertrauens hat, dass:

1. die Anforderungen des Lebens strukturiert, vorhersagbar und erklärbar sind und, dass

2. Ressourcen verfügbar sind, die nötig sind um den Anforderungen gerecht zu werden und

3. diese Anforderungen Herausforderungen sind, die Investition und Engagement verdienen.“

 

Je stärker dieses Kohärenzgefühl ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass man unausweichliche, alltägliche Situationen (z.B. Stress) gut bzw. besser bewältigen kann.

 

 

Fragebogen zum Kohärenzgefühl

Aaron Antonowsky erforschte in den 1970er Jahren die Anpassungsfähigkeit von Frauen während der Menopause. Eine Gruppe der Befragten waren Frauen, die 1939 zwischen 16 und 25 Jahre alt waren und sich zu dieser Zeit in nationalsozialistischen Konzentrationslagern befanden. Die Ergebnisse ihrer psychischen und physischen Gesundheitszustände wurden mit einer Kontrollgruppe mit Frauen, die nicht im KZ waren, verglichen. In der Kontrollgruppe gaben 51% an sich nicht in ihrer Gesundheit beeinträchtigt zu fühlen. In der Gruppe mit den Überlebenden waren es 29%. Dies mag im ersten Moment nicht viel erscheinen. Aber wir alle haben im Geschichtsunterricht und in Dokus erfahren unter welchen unmenschlichen Umständen die Menschen in den Konzentrationslagern leben mussten. Unter diesem Aspekt ist es erstaunlich, dass sich fast 1/3 der Befragten sowohl psychisch, als auch physisch gesund gefühlt hat, oder?

Diese Ergebnisse regten Antonowsky dazu an, nach einer Erklärung für die Entstehung von Gesundheit zu suchen. So erstellte er das Modell der Salutogenese und des Kohärenzgefühls. Heißt also auf dieses Beispiel bezogen, dass die Frauen

1. Ihre Situation verstanden haben mussten,

2. das Gefühl haben mussten, diese Situation im Griff zu haben/meistern zu können und

3. einen Sinn in dieser aussichtslosen Situation gesehen haben.

 

Da taucht wahrscheinlich gleich die Frage auf: Was für einen Sinn soll man in einer grauenhaften Gefangenschaft im Konzentrationslager sehen? Eine berechtigte Frage, die bei uns in der Gruppe auch sofort gestellt wurde. Der Sinn wurde nicht in der Situation an sich gesehen, sondern darin diese Situation zu überstehen. Dafür gibt es mehrere Gründe, z.B. um seine Familie wieder zu sehen oder um nachfolgenden Generationen davon erzählen zu können.

Es ist manchmal schwierig einen Sinn in etwas zu sehen, vor allem wenn man am besten gerne gleich eine Erklärung für manche Situationen hätte. Manchmal muss man aber einfach darauf vertrauen, dass es irgendwann einen Sinn haben wird. Sicher habt ihr selbst schon einmal so eine Situation gehabt, die erst im Nachhinein Sinn ergeben hat, oder? Das soll natürlich nicht heißen, dass man immer alles über sich ergehen lassen sollte. Aber man sollte erstmal nach einem Sinn suchen und wenn er nicht gleich auftaucht, überlegen, ob es nicht sein könnte, dass wir trotzdem etwas aus der Situation mitnehmen können. Dabei geht es eben nicht immer um die positiven Erfahrungen, denn vor allem aus den schlechten können wir viel lernen.

 

 

Nicht Stillstand, sondern Bewegung

So befinden wir uns immer auf einem Kontinuum und sind dabei in Bewegung. Es ist nicht entweder nur gut oder nur schlecht, wir sind nicht gesund oder krank; wir bewegen uns irgendwo zwischendrin. Die gute Nachricht ist, dass wir zu einem gewissen Grad beeinflussen können, wo genau wir uns auf diesem Kontinuum bewegen. Das benötigt zwar etwas Arbeit, aber es lohnt sich. Einfach mal überlegen, wie wir uns fühlen, wo wir aktuell auf dem Kontinuum stehen und wo wir gerne  stehen wollen. Gesundheit ist mehr als die Abwesenheit von Krankheit. Es gibt viele Dimensionen von Wohlbefinden und somit Gesundheit und für jeden von uns bedeutet es etwas anderes. Gesundheit und Wohlbefinden sind stark abhängig von äußeren Umständen wie Familie, Beruf, Freunde und Lebensstandard. Was brauchen wir also, um dort hinzukommen – um glücklich und somit gesund zu sein? Wenn wir nicht darauf warten wollen, dass dieser Zustand durch ein Wunder geschieht, müssen wir selbst etwas dafür tun. Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, muss der Prophet zum Berg kommen.

 

Heilung ist Selbstheilung

Wir sind dieser Prophet und haben eigentlich alles dabei was wir brauchen. Jeder von uns besitzt einen inneren Arzt, der weiß was zu tun ist. Um diese Selbstheilungskräfte/Selbstorganisationskräfte aktivieren und nutzen zu können, brauchen wir allerdings einen Rahmen und Bedingungen zur Orientierung. Dieser Rahmen ist sehr individuell und auch hier gibt es kein Patentrezept. Es liegt also an jedem selbst herauszufinden, was er oder sie braucht, um glücklicher und somit gesünder zu leben. Nur wer mit sich selbst im Reinen ist, hat eine gute Voraussetzung dauerhaft gesund zu bleiben.

 

Leitfaden und Hilfestellung

Im Download findet ihr zwei Fragebögen. Der Erste hilft Euch dabei rauszufinden, was ihr selbst überhaupt unter Gesundheit versteht und wie ihr Euch diesen „Zustand“ vorstellt. Der Zweite ist sozusagen ein Interview mit Eurem inneren Arzt.

Wir haben dieses Interview zu zweit gemacht. Anfangs war ich nicht sehr begeistert von der Idee, aber es hat definitiv seine Qualitäten. So tauchen nämlich Fragen und Denkansätze auf, auf die man alleine im stillen Kämmerchen nicht kommen würde!

Eine weitere gute Sache ist eine Collage, oder wie man heute so schön sagt, ein Visionboard, zu erstellen. Während dem Suchen nach schönen Bildchen in Zeitschriften beschäftigt man sich ganz automatisch sehr intensiv damit, was für einen selbst eigentlich Wohlbefinden und Gesundheit bedeuten. Da ist es auf einmal ganz selbstverständlich, welches Bildchen ausgeschnibbelt und welches gleich weitergeblättert wird, denn eigentlich wissen wir ja ganz genau, was und gut tut. Die Collage kann dann an einem schönen Platz in der Wohnung aufgehängt werden und erinnert immer wieder daran, was uns gesund hält. 

Im ersten Moment mag das etwas komisch und befremdlich erscheinen, aber probiert es doch einfach mal aus! Ihr könnt nichts verlieren, sondern höchstens einen guten Leitfaden für Eure persönliche Gesundheit erstellen.

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Quellen: https://de.wikipedia.org/wiki/Salutogenese#Kritik_der_Salutogenese + Vortrag Yogalehrerausbildung 

 

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